Michael Edelmann
Überdrüssig bin ich der naiven Bilder, der Bilder von etwas.
Alltag und Sonntag, Garten und Haus, selbst die Meinen, ihr Lachen, ihr Spielen, ihre Freude, hab ich zu Herzen genommen; möglich wäre, sie auf die Leinwand zu bannen. Doch nur mit Verlust, mit Trauer nur: Ihr Leben, jedes Leben, ist reicher als sein mögliches Abbild. Wiewohl ich meine Welt liebe, ich setzte ein verdünntes, ein beschnittenes Zeichen.
Mich zieht das Geheimnis an, das, was noch nicht offenbar wurde; ein Unbestimmtes drängt, sich bereit zu machen für noch Unbekanntes, mich zieht an, was heute vor uns steht.
Ich suche die Stille, entäußere mich der Vorstellungsbilder. In meinem Kopf, im Hinterkopf, wer weiß, in welchem Halbbewußtsein, in welchem Becken der Erinnerung, da steht fahles Hell; mir ist, als habe meine Mutter mir einmal gesagt: Die Ewigkeit ist weiß.
Ich warte, die letzten Bildschemen schwinden, ich mische die ersten Farben, trage Weiß-grau auf, stehend, mit erhobener Hand, bereit, mich führen zu lassen: ich male.
Ein Fleck entsteht, belebt sich, wächst, verliert seinen Charakter als Farbfleck, ein Unbekanntes scheint auf, Neuland am Horizont, noch dünn, unsicher, gehaucht — ich streue einzelne Sandkörner auf die Farbe, überstreiche, sehe, gebe uns Zeit, vergesse die Zeit, stimme zu.
Wie behutsam ich sein kann! Hier laß’ ich wachsen, da ist zu dämpfen; umkreise, umschwinge dieses “Weiße Loch”. Laotses Ausspruch fällt mir ein: “Sprich, damit ich dich sehe!”
Bin ich arm im Geiste, glückt der Dialog. Das Bild führt, ich spiele mit, Autor oder Weisungsempfänger, ist unwichtig, ich werde stimmig mit der Gestaltung, ich’bin eingetreten in das lebendige System des Werdens. Es ist gut, so stimmig zu sein mit ihm, in der Korrespondenz mit dem Prozeß, beim Verdichten hier in dem Mittelstreifen, beim Kratzen im Unterteil, als wollt’ ich schneiden, verletzen, beim Einstreuen der Sandkörner, hier und dort — vergiß die Masse nicht, die Kerne! Der Geist weht, wo er will. Zufällig bricht ein Stück Färb- und Materialauftrag aus dem Bild, aus seinem Mittelteil. Auch diesem Zufall stimme ich zu.
Mein Freund wird dieses Bild “Die Transzendenzerfahrung eines Realisten” nennen.
Joachim Lucas
Michael Edelmann
Überdrüssig bin ich der naiven Bilder, der Bilder von etwas.
Alltag und Sonntag, Garten und Haus, selbst die Meinen, ihr Lachen, ihr Spielen, ihre Freude, hab ich zu Herzen genommen; möglich wäre, sie auf die Leinwand zu bannen. Doch nur mit Verlust, mit Trauer nur: Ihr Leben, jedes Leben, ist reicher als sein mögliches Abbild. Wiewohl ich meine Welt liebe, ich setzte ein verdünntes, ein beschnittenes Zeichen.
Mich zieht das Geheimnis an, das, was noch nicht offenbar wurde; ein Unbestimmtes drängt, sich bereit zu machen für noch Unbekanntes, mich zieht an, was heute vor uns steht.
Ich suche die Stille, entäußere mich der Vorstellungsbilder. In meinem Kopf, im Hinterkopf, wer weiß, in welchem Halbbewußtsein, in welchem Becken der Erinnerung, da steht fahles Hell; mir ist, als habe meine Mutter mir einmal gesagt: Die Ewigkeit ist weiß.
Ich warte, die letzten Bildschemen schwinden, ich mische die ersten Farben, trage Weiß-grau auf, stehend, mit erhobener Hand, bereit, mich führen zu lassen: ich male.
Ein Fleck entsteht, belebt sich, wächst, verliert seinen Charakter als Farbfleck, ein Unbekanntes scheint auf, Neuland am Horizont, noch dünn, unsicher, gehaucht — ich streue einzelne Sandkörner auf die Farbe, überstreiche, sehe, gebe uns Zeit, vergesse die Zeit, stimme zu.
Wie behutsam ich sein kann! Hier laß’ ich wachsen, da ist zu dämpfen; umkreise, umschwinge dieses “Weiße Loch”. Laotses Ausspruch fällt mir ein: “Sprich, damit ich dich sehe!”
Bin ich arm im Geiste, glückt der Dialog. Das Bild führt, ich spiele mit, Autor oder Weisungsempfänger, ist unwichtig, ich werde stimmig mit der Gestaltung, ich’bin eingetreten in das lebendige System des Werdens. Es ist gut, so stimmig zu sein mit ihm, in der Korrespondenz mit dem Prozeß, beim Verdichten hier in dem Mittelstreifen, beim Kratzen im Unterteil, als wollt’ ich schneiden, verletzen, beim Einstreuen der Sandkörner, hier und dort — vergiß die Masse nicht, die Kerne! Der Geist weht, wo er will. Zufällig bricht ein Stück Färb- und Materialauftrag aus dem Bild, aus seinem Mittelteil. Auch diesem Zufall stimme ich zu.
Mein Freund wird dieses Bild “Die Transzendenzerfahrung eines Realisten” nennen.
Joachim Lucas
Michael Edelmann
Eigenwillig war Michael Edelmann schon als Heranwachsender. Mit 17 verließ er vorzeitig die Schule und bewarb sich an der Hamburger Hochschulde für Bildende Künste (HBK). Hier lernte er bei Prof. Thiemann, Rudolf Hausner, Beuys und anderen.
In Hamburg liegen seine Wurzeln, hier wurde er 1957 geboren, und hier verbrachte er seine Kindheit. Der elterliche Künstlerhaushalt musste zwar materiell kämpfen, doch dafür hatten seine Eltern, beide Maler, naturgemäß Verständnis für seine Entscheidungen und förderten sein Talent von Anfang an. Prägend waren sicherlich auch die siebziger und achtziger Jahren, die Michael Edelmann als Teil einer Szene erlebte, die außerhalb des kaufmännisch geprägten Hamburg stand. Fast ein wenig nostalgisch wird der Maler, wenn er über seine Erfahrungen als Zeichner in den Hafenkneipen St. Paulis spricht.
Um so stärker scheint der Bruch, als er mit Ehefrau Corinna Swart 1989 ins Münsterland zog. Das alte Fachwerkhaus am Ortsrand von Horstmar bildet heute seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt. Zeitgleich mit dem äußeren Einschnitt veränderte sich auch seine Malerei. Während er früher die gegenständliche, ja naturalistische Malerei bevorzugt hatte, wurden seine Arbeiten nun abstrakter. Auch das Format veränderte sich. „Ich konnte nicht mehr kleinformatig malen. Ich brauchte das Große Format, um mich in vollem Maße entfalten zu können“, so der Maler.Statt weicher Leinwände wählte er zunehmend harte Untergründe wie Holz, also Materialien, die sich ihm entgegensetzen und die er in physischem Akt mit Messer und Flex regelrecht zu „verletzen“ sucht. So körperlich der Vorgang des Malens bei Michael Edelmann auch ist, so gibt es doch kein wichtigeres Medium als die Malerei für ihn. Bildhauerei erscheint ihm bereits zu konkret: „Im Zweidimensionalen der Malerei ist die Abstraktion des Gegenständlichen schon vorhanden,“ erklärt er.
Trotz des Abstraktionsgrades seiner Arbeiten, steht für ihn der Mensch im Mittelpunkt seines Schaffens und seines Lebens — eine Parallele zu Vater Hanno. Michael Edelmann, Ehemann und Vater zweier Söhne, ist lebensfroher Philanthrop — man besuche ihn nur einmal im Horstmarer Atelier/ Wohnhaus und genieße die Gastfreundschaft und sinnlich fassbare Lebensfreude der Familie — und doch schöpft er wie so viele Künstler die existenzielle Notwendigkeit des Schaffens aus den Schattenseiten des Lebens, den Ängsten vor Tod und Verlust. Für Michael Edehnann gab es nie eine Wahl: Künstler sein und Kunst zu schaffen, ist für ihn existenziell und keine formale Spielerei.
„Kunst ist identisch mit dem Leben und die Malerei, insbesondere die Abstraktion, schlichtweg der Versuch zum eigentlich Kern zu kommen.“ Seine Bilder sind groß und ausdrucksstark und repräsentieren doch keinen festgelegten Stil. Vehement lehnt der Künstler jeden Duktus, jedes Selbst-Zitat oder gar Anpassung an einen Kunstmarkt ab und bezieht deshalb häufig den Zufall als Akteur mit ein: „Das Ziel ist es in sich hineinzugehen und dann über sich hinauszugehen.“
Regina Schmidt
Michael Edelmann
Eigenwillig war Michael Edelmann schon als Heranwachsender. Mit 17 verließ er vorzeitig die Schule und bewarb sich an der Hamburger Hochschulde für Bildende Künste (HBK). Hier lernte er bei Prof. Thiemann, Rudolf Hausner, Beuys und anderen.
In Hamburg liegen seine Wurzeln, hier wurde er 1957 geboren, und hier verbrachte er seine Kindheit. Der elterliche Künstlerhaushalt musste zwar materiell kämpfen, doch dafür hatten seine Eltern, beide Maler, naturgemäß Verständnis für seine Entscheidungen und förderten sein Talent von Anfang an. Prägend waren sicherlich auch die siebziger und achtziger Jahren, die Michael Edelmann als Teil einer Szene erlebte, die außerhalb des kaufmännisch geprägten Hamburg stand. Fast ein wenig nostalgisch wird der Maler, wenn er über seine Erfahrungen als Zeichner in den Hafenkneipen St. Paulis spricht.
Um so stärker scheint der Bruch, als er mit Ehefrau Corinna Swart 1989 ins Münsterland zog. Das alte Fachwerkhaus am Ortsrand von Horstmar bildet heute seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt. Zeitgleich mit dem äußeren Einschnitt veränderte sich auch seine Malerei. Während er früher die gegenständliche, ja naturalistische Malerei bevorzugt hatte, wurden seine Arbeiten nun abstrakter. Auch das Format veränderte sich. „Ich konnte nicht mehr kleinformatig malen. Ich brauchte das Große Format, um mich in vollem Maße entfalten zu können“, so der Maler.Statt weicher Leinwände wählte er zunehmend harte Untergründe wie Holz, also Materialien, die sich ihm entgegensetzen und die er in physischem Akt mit Messer und Flex regelrecht zu „verletzen“ sucht. So körperlich der Vorgang des Malens bei Michael Edelmann auch ist, so gibt es doch kein wichtigeres Medium als die Malerei für ihn. Bildhauerei erscheint ihm bereits zu konkret: „Im Zweidimensionalen der Malerei ist die Abstraktion des Gegenständlichen schon vorhanden,“ erklärt er.
Trotz des Abstraktionsgrades seiner Arbeiten, steht für ihn der Mensch im Mittelpunkt seines Schaffens und seines Lebens — eine Parallele zu Vater Hanno. Michael Edelmann, Ehemann und Vater zweier Söhne, ist lebensfroher Philanthrop — man besuche ihn nur einmal im Horstmarer Atelier/ Wohnhaus und genieße die Gastfreundschaft und sinnlich fassbare Lebensfreude der Familie — und doch schöpft er wie so viele Künstler die existenzielle Notwendigkeit des Schaffens aus den Schattenseiten des Lebens, den Ängsten vor Tod und Verlust. Für Michael Edehnann gab es nie eine Wahl: Künstler sein und Kunst zu schaffen, ist für ihn existenziell und keine formale Spielerei.
„Kunst ist identisch mit dem Leben und die Malerei, insbesondere die Abstraktion, schlichtweg der Versuch zum eigentlich Kern zu kommen.“ Seine Bilder sind groß und ausdrucksstark und repräsentieren doch keinen festgelegten Stil. Vehement lehnt der Künstler jeden Duktus, jedes Selbst-Zitat oder gar Anpassung an einen Kunstmarkt ab und bezieht deshalb häufig den Zufall als Akteur mit ein: „Das Ziel ist es in sich hineinzugehen und dann über sich hinauszugehen.“
Regina Schmidt